[Alle Namen sind geändert, der Brief ist mit freundlicher Erlaubnis überlassen.]
Auch die Beendigung einer Schwangerschaft in einem sehr frühen Stadium darf man betrauern. Manchen hilft als Abschiedsritual eine symbolische Babybestattung. Neulich durfte ich eine begleiten:
Babylunz lebte sechs Wochen als Eileiterschwangerschaft, ohne dass seine Eltern Noël und Chris davon wussten. Noël hatte plötzlich starke Schmerzen und blutete. Mit dem Notarztwagen fuhren Noël und Chris ins Krankenhaus. Dort gab es eine Notoperation. Noël und Chris waren beide geschockt und wurden nicht gefragt, ob sie Babylunz noch einmal sehen wollten. Eigentlich ist es möglich, ein totgeborenes Baby unter 500g einfach mit nach Hause zu nehmen, aber das sagte den beiden niemand. Babylunz landete im Gewebeabfall des Krankenhauses und wurde später verbrannt. Nachdem Noël aus dem Krankenhaus entlassen war, hatten die beiden das Gefühl, Babylunz zumindest symbolisch verabschieden zu wollen. Sie riefen mich an, wir trafen uns und vereinbarten eine symbolische Beerdigung für Babylunz.
Das symbolische Grab sollte auf einer Brachfläche unweit der Wohnung im Berliner Süden sein. Außer mir und den beiden Eltern waren noch Jora und der dreijährige Micky dabei. Zu fünft stapften wir durch den laubbedeckten Matsch, bis Noël sagte: hier machen wir es. Wir gruben mit einer Handschippe ein kleines Loch. Noël hatte ein Stück Wolle in ein kleines Stofftäschchen gelegt. Jora hatte zwei gleiche Ketten gebastelt, eine für Babylunz und eine für Noël. Noël legte das Stoffsäckchen und die eine Kette in das Loch. Dann las Noël einen Brief vor:
“Hallo Babylunz, leider haben wir uns nicht kennen gelernt, aber ich möchte mich dennoch von dir verabschieden… Als ich erfahren habe, dass du da bist, habe ich mich sehr gefreut und doch war die Freude kurz. Leider musstest du aus mir herausgeschnitten werden, weil du den Weg in meinen Körper nicht gefunden hattest. Vielleicht wäre die Welt auch zu anstrengend für dich gewesen und so hattest du nur 6 warme Wochen im Bauch… Ich hätte mich sehr auf dich gefreut, Chris wäre dir ein liebevoller Papa gewesen und Micky hätte schön mit dir gespielt und viele andere auch. Ich glaube, dass du mich ein Leben lang begleiten wirst. Schön, dass du da warst…”
Dann verbrannte Noël den Brief und ließ die Aschereste ins Grab fallen. Wir alle warfen eine Handvoll Erde in das Grab, dann schaufelten wir das Loch zu und strichen die Erde glatt. Auf das Grab legten wir Blüten. “Tschüß, Babylunz”, sagte Micky. Dann saßen wir noch eine Weile zusammen am Grab.
Symbolische Babybestattung
Lieber Julian,
prinzipiell ein SEHR guter Artikel. Du solltest ihn aber nicht mit “Schwangerschaftsabbruch” übertiteln. Das ist medizinisch schlicht falsch. Babylunz wurde nicht abgetrieben, so heißt es umgangssprachlich, sondern hatte als Eileiterschwangerschaft keine Chance.
Dass Mütter und gerade auch Väter nach einem Schwangerschaftsabbruch vor besonderen emotionalen Belastungen stehen, steht auf einem anderen Blatt …
Nicht jede Frau fühlt sich durch eine Abruptio psychisch belastet. Das wird von den „anständigen „ Frauen gesellschaftlich erwartet. Mir sind etliche ehrliche Frauen bekannt, für die es eine ungeheure Erleichterung war , und die diesen Eingriff als Neubeginn ihres Lebens gesehen haben. (M e i n Körper., m e i n Leben)