Ordnungsbehördliche Bestattung

Praxis und Kritik der ordnungsbehördlichen Bestattung

Von einer ordnungsbehördlichen Bestattung spricht man, wenn die Bestattung vom Amt beauftragt wird. Das ist der Fall, wenn keine bestattungspflichtigen Angehörigen vorhanden oder auffindbar sind. Oder auch wenn die bestattungspflichtigen Angehörigen ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen oder wenn sonst niemand von den Freund_innen die Bestattung veranlasst. Die ordnungsbehördliche Bestattung ist nicht zu verwechseln mit der sogenannten Sozialbestattung, bei der das Sozialamt den Angehörigen die Kosten erstattet.

In Berlin gibt es rund 7% ordnungsbehördliche Bestattungen, das sind etwa 2700 im Jahr. Zuständig ist das Ordnungsamt des Bezirks, in dem der Tote gemeldet war. Das Amt soll die bestattungspflichtigen Angehörigen oder andere zugehörige Personen, die die Bestattung beauftragen, zeitnah ermitteln.
Wenn bestattungspflichtige Angehörige sofort ermittelt werden, bekommen diese eine Frist von sieben Tagen gesetzt, um die Bestattung zu veranlassen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, erfolgt eine ordnungsbehördliche Bestattung. Manchmal gelingt es den Ämtern nicht, in den wenigen Tagen bis zur Einäscherung Angehörige zu ermitteln. Dann erfahren diese die Todesnachricht erst nach der Beisetzung durch eine Rechnung über die Bestattungskosten.

Verfahren in Berlin

In Berlin werden alle ordnungsbehördlichen Bestattungen von einem einzigen Bestattungsunternehmen durchgeführt, das bei der öffentlichen Ausschreibung das billigste Angebot unterbreitet hat. Das bedeutet, dass wir nie für ordnungsbehördliche Bestattungen beauftragt werden.

Ordnungsbehördliche Bestattungen sind in Berlin in der Regel Feuerbestattungen in einer Urnen-Gemeinschaftschaftsanlage. Derzeit werden die ordnungsbehördlichen Bestattungen in Berlin auf dem Alten Domfriedhof durchgeführt, da dieser die billigsten Grabstellen anbietet. Es ist möglich, den jeweiligen Beerdigungstermin bei der Friedhofsverwaltung des Alten Domfriedhofs zu erfragen und dort eine individuelle Trauerfeier zu gestalten.

In einzelnen Berliner Bezirken (bisher Reinickendorf, Mitte, Neukölln, Spandau) werden einmal im Jahr christliche Gedenkfeiern abgehalten, wo die Namen der ordnungsbehördlich Bestatteten verlesen werden.

Widerstand

Wer vorher weiß, dass er*sie von ordnungsbehördlicher Bestattung betroffen ist, kann mit einer Willensbekundung Widerstand leisten. Die ordnungsbehördliche Bestattung hat einen routinierten Ablauf, der von dem schriftlich festgehalten Willen eines Toten unterbrochen werden kann. Zum Beispiel kann man schriftlich erklären, dass man eine Erdbestattung möchte oder auf einem bestimmten Friedhof, vielleicht im Grab der Partnerin, bestattet werden möchte. Dem Wunsch, mit einem christlichen oder jüdischen Segen bestattet zu werden oder eine muslimische Waschung zu bekommen, wird von den Gesundheitsämtern in der Regel stattgegeben. Auch die Beisetzung der Urne in einem europäischen Land ohne Friedhofszwang könnte ein Anliegen sein, dem sich die Gesundheitsämter nicht widersetzen. Die Ämter haben gewisse Spielräume. Auch die Äußerungen der Zugehörigen können berücksichtigt werden. Wir stehen jederzeit für ein kostenloses Gespräch zur Verfügung, um eine solche Willensbekundung zusammen aufzusetzen.

Natürlich kann diese individuelle Absicherung nicht der einzige Widerstand gegen ordnungsbehördliche Bestattung sein. Die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Menschen umgehen wollen, für deren Bestattung auf die Schnelle niemand zuständig ist, muss breiter in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Noch gibt es keine Lobby, die fordert, dass mehr Geld für eine würdige ordnungsbehördliche Bestattung in die Hand genommen werden muss. Ein erster Schritt wäre eine längere zeitliche Frist bis zur Beisetzung der Urne und mehr Geld, damit nach Angehörigen und Weggefährten gesucht werden kann.

 

Zum Weiterlesen:

Francis Seeck: Recht auf Trauer. Bestattungen aus machtkritischer Perspektive, edition assemblage 2017
Interviews mit Francis Seeck in der Pflegebibel und in der taz.

Susanne Loke: Einsames Sterben und unentdeckte Tode in der Stadt. Über ein verborgenes gesellschaftliches Problem, transcript Verlag 2023

Evie King: Ashes To Admin: Tales from the Caseload of a Council Funeral Officer, Mirror Books 2023

Zum Anschauen:

Spielfilm über ordnungsbehördlichen Bestattungen in England: Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit

Gesetzestexte zur ordnungsbehördlichen Bestattung:
  • Gesetz über das Leichen- und Bestattungswesen (Berliner Bestattungsgesetz)
  • Ausführungsvorschrift über ordnungsbehördliche Bestattungen nach § 16 Abs. 3 des Bestattungsgesetzes