Julian Heigel

Dr. Julian Heigel
*18. Dezember 1980

Julian, wie bist du darauf gekommen, Bestatter zu werden?

Der Tod hat schon immer eine Rolle in meinem Leben gespielt, ohne dass ich nahe Verluste durch Tod in meiner Kindheit und Jugend erlebt habe. Ganz genau kann ich nicht sagen, was mich bewogen hat, mich dem Thema Bestatten anzunähern. Ich wollte irgendwann etwas Sinnvolles machen und das ist dieser Beruf auf jeden Fall.

Wie verlief deine Ausbildung?

Ich habe zunächst einige Kurzpraktika in verschiedenen Bestattungshäusern gemacht, um mich der Branche anzunähern. Gelernt habe ich dann bei memento Bestattungen und schließlich als angestellter Bestatter bei Himmelsleiter Bestattung. Ich bin memento und Himmelsleiter weiterhin verbunden und beiden sehr dankbar, dass ich bei ihnen das Bestatten lernen durfte.

Was hast du vorher gemacht?

Ursprünglich komme ich aus der Rhön bei Fulda in Hessen. Ich habe Musik und Theologie auf Lehramt in Mainz studiert. Nach dem Referendariat an einer Schule habe ich als Musikwissenschaftler an den Universitäten in Halle und Göttingen gearbeitet. In meiner Doktorarbeit ging es um die geistliche Kantate im 18. Jahrhundert. Die Wende zum Bestatter klingt erstmal nach einem völligen Cut, aber eigentlich passt Bestattung ganz gut zu Musik und Theologie.

Bist du religiös?

Ich bin katholisch aufgewachsen und habe, wie gesagt, katholische Theologie studiert. Mittlerweile habe ich aber eine große Distanz zur katholischen Kirche. Als gläubig würde ich mich immer noch bezeichnen. Ich kenne die Kraft des Glaubens aus eigenem Erleben. Natürlich respektiere ich alle Jenseitsvorstellungen und finde es immer wieder spannend, wie unterschiedlich Menschen über die „letzten Dinge“ sprechen.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Sehr unterschiedlich. Bei einer Begleitung berate ich Zugehörige und begleite sie in die Aufbahrungsräume oder ins Krematorium. Die Toten versorge ich in den Aufbahrungsräumen der Fuhrunternehmen. Natürlich bin ich auch immer bei der Beerdigung auf dem Friedhof oder woanders dabei. Etwa genauso viel Zeit verbringe auch mit dem Vor- und Nachbereiten der Trauerfeier oder der Organisation der Papiere. Und als Selbständiger habe ich gelernt, dass es noch eine Menge Extrabüroarbeit gibt.

Stumpft man bei dieser Arbeit ab?

Ja und nein. Die Tatsache, dass wir alle früher oder später sterben werden, steht mir tagtäglich vor Augen und wirft mich nicht mehr aus der Bahn. Aber natürlich bin ich bei jeder Begleitung mitfühlend und auch immer wieder berührt von der Trauer oder der Liebe der Menschen.

Ist die Arbeit mit Trauernden nicht total anstrengend?

Manchmal ist es anstrengend. In der Regel sind Trauernde, die ich begleite, sehr dankbar und geben mir das Gefühl, ihnen wirklich geholfen zu haben. Wenn ich sehe, dass Trauernde sich ihren Toten zuwenden und für eine gute Beerdigung sorgen, macht mir die Arbeit richtig Spaß. Manchmal nimmt mich ein Trauerfall auch sehr mit. Dann muss ich überlegen, was das mit mir zu tun hat, und ob ich nicht gerade etwas Eigenes betrauere. Wenn ich gar nicht klarkomme, muss ich den Fall abgeben, aber das ist noch nicht oft vorgekommen.

Was ist schön bei deiner Arbeit?

Tatsächlich verbringe ich gerne Zeit bei den Toten. Die meisten von ihnen strahlen eine Ruhe aus, die mich mit dem Wesentlichen in Verbindung bringt. Und, wie gesagt, wenn Trauernde sich auf den Tod und die Bestattung einlassen und tatsächlich formulieren, welche Form des Abschiednehmens für sie die passende ist, dann freue ich mich sehr. Ich bin immer wieder beeindruckt, welche guten und kreativen Ideen Leute haben. Und ich finde es natürlich schön, dass Menschen mir Vertrauen schenken und ich sie in diesen besonderen ersten Tagen und Wochen nach einem Tod unterstützen darf. Und außerdem ist es spannend, neue Familien, ihre Liebe, aber auch ihre Schwierigkeiten kennen zu lernen. Julian Heigel

Welche Visionen hast du in Bezug auf Bestattungen?

Alle Menschen sollten eine gute Bestattung bekommen. Einerseits wird der Tod in vielen Teilen der Gesellschaft tabuisiert, sodass viele Menschen erst jetzt anfangen, diesbezüglich eigene Bedürfnisse zu formulieren. Andererseits gibt es eine Menge Vorschriften, zum Beispiel den unsäglichen deutschen Friedhofszwang oder in Berlin die Aufbahrungsfrist zu Hause von nur 36 Stunden, die es Menschen schwierig machen, ihren eigenen Umgang mit den Toten zu finden. Auch die ordnungsbehördliche Bestattung und die Sozialbestattung müssen sich verändern, damit alle Menschen in Würde bestattet werden können. Hier aufzuklären und Handlungsräume zu eröffnen, sehe ich auf jeden Fall auch als politischen Teil meiner Arbeit.

Du schreibst, du bist queer. Was bedeutet das für deine Arbeit?

Mein Anspruch ist es, dass sich queere Menschen besonders gut bei mir aufgehoben fühlen. Es gibt im Bestattungswesen viele Konventionen, die sich auf Mann und Frau beziehen, zum Beispiel das Doppelgrab mit Mann rechts und Frau links oder die Sterbewäsche für Mann und Frau. Wenn beispielsweise zwei Frauen in ein Doppelgrab wollen, sind manche Friedhofsverwalter_innen schon überfordert, dann ist es meine Aufgabe, das abzufangen. Zudem haben queere Menschen oft eine Herkunftsfamilie, die andere Vorstellungen einer Beerdigung hat als die tatsächlichen Bezugspersonen. Dann bin ich in einer Vermittlerrolle und wir überlegen gemeinsam, welche Form für alle Beteiligten gut ist.
Bei trans Menschen ist es wichtig, dass sie auch nach ihrem Tod richtig angesprochen und in ihrem Geschlecht bestattet werden, unabhängig davon, was im Ausweis steht. Außerdem habe ich immer wieder mit Körpern zu tun, die nicht der Norm entsprechen. Ich bemühe mich, vorurteilslos mit ihnen umzugehen.

Bestatter Berlin
In Norwegen

Julian Heigel persönliches

Was uns wichtig ist  Interviews

25 Gedanken zu „Julian Heigel“

  1. Hallo Julian,
    ich komme gerade von meiner schwer kranken Schwester (Jeannette), die dich in einer früheren Lebensphase kennen lernte. Sie erzählte von deinem alternativen Bestattungsinstitut in Berlin und wüsste gern ob es ähnliche Bestattungsinstitute in ihrer jetzigen Wohnortnähe (Kiel/Bordesholm) gibt, weil sie sich gut vorstellen kann, da in ihrem Sinne aufgehoben zu sein. Kannst Du mir was in der genannten Gegend empfehlen?
    Herzliche Grüße, Denise

  2. Hallo Julian,
    ich bin von dem was ich über dich und deine Tätigkeit als Bestatter und wie du das Thema Tod angehst angenehm berührt.
    Obwohl sterben zum Leben genauso dazu gehört wie atmen, ist es so tabuisiert.
    Da mein Lebenspartner schon viele Tumor-OP’s hinter sich hat und bald die nächste ansteht, weiß ich nicht wie lange er noch bei mir ist……..Nach 32J. gemeinsamen lieben und leben…………
    Ich finde es ist eine guter Gedanke Vorsorge für unser eigenes Begräbnis zu treffen…………
    Würdest du auch in unserem Fall als Bestatter tätig sein, obwohl wir in Niedersachsen leben?
    Falls nicht, weißt du ob es auch hier Bestatter für queere Menschen gibt?
    Lieben Gruß
    Mario

    1. Hallo Mario,
      vielen Dank! Ich kann nur als Bestatter tätig sein, wenn der Sterbeort oder der Beisetzungsort in oder bei Berlin ist.
      Vielleicht kann ich euch jemanden empfehlen, wo seid genau?
      Viele Grüße, Julian

  3. Lieber Julian,

    durch verschiedene persönliche Erfahrungen mit dem Sterben und dem Tod habe ich mich früh schon damit auseinandergesetzt.
    Ich würde gerne in dem Bereich arbeiten. Trauerrednerin könnte ich mir zB gut vorstellen, aber auch den Umgang mit der Gestaltung einer Trauerfeier uä.
    Wie komme ich in dieses Berufsfeld „rein“? Was braucht man dazu?

    Danke und viele Grüße aus München,
    Heidi

    1. Hallo Heidi,

      es gibt auch verschiedene Ausbildungen zur Trauerrednerin, da müsstest du noch mal schauen, was bei dir in der Umgebung angeboten wird.
      Ich empfehle vor allem, Praktika bei verschiedenen Bestattungsunternehmen zu absolvieren, um möglichst viele Trauerreden zu hören und Trauerfeiern zu sehen.

      Ich finde eine aussagekräftige Webseite mit Videoaufnahmen wichtig.

      Viele Grüße und alles Gute!
      Julian

  4. Hallo Julian,

    wie finde ich heraus, ob es in meiner Gegend (nördliches Rheinland-Pfalz, „Drei-Länder-Eck“) Bestatter gibt, die ähnlich/ so wie ihr arbeiten?

    Beste Grüße und macht weiter so 🙂

  5. Hallo Julian,
    gerade eben habe ich in der Mediathek des DLR-Kultur deinen Beitrag „Im Gespräch“ gehört. Auch ich habe einmal mit diesem Beruf als Quereinsteigerin geliebäugelt, darüber gelesen und ein kurzes Praktikum in einem Thanatorium gemacht, weil ich der Meinung war und bin, dass es viel zu wenige Bestatter wie dich im Herzen gibt. Es ist m.E. auch nicht wichtig, ob eine Ausbildung offiziell dazu befugt oder ob jemand, so wie du, einem inneren Impuls folgt und diesen Beruf mit viel Empathie und anderen gehaltvollen Voraussetzungen vermutlich teils besser ausfüllt als mach einer, der einen „Schein“ vorweisen kann.
    Wie schön wäre es, wenn du ausbilden würdest/dürftest und mit deinem Nachwuchs dann viele deutschlandweite Lücken in konservativen Regionen wenisgtens ein bisschen füllen könntest.
    Ich wünsche dir weiterhin ganz viel Freude an diesem, deinem Wirken, dass manche Hürden niedriger würden und vor allem wünsche ich dir Gottes Segen weiterhin in deinem beruflichen Tun & persönlich im Leben. Die katrin

    1. Hallo Katrin,
      vielen Dank für deinen netten Kommentar. Ich bilde ja schon aus, nämlich meine Praktikant_innen, später vielleicht auch in größerem Rahmen, aber das ist jetzt noch Zukunftsmusik.
      Alles Gute auch für dich,
      Julian

  6. Hallo , ich bin Andrea 44 und habe vor 6 Jahren meinen Sohn beerdigen müssen.
    So einen Bestatter wie Sie sind ,hätte ich mir an unserer Seite gewünscht. Dieses Gewerbe ist hier im katholischen Niederbayern leider sehr eingestaubt und konservativ.
    Wir haben es sehr unkonventionell gemacht , keine schwarze Kleidung ,Luftballons mit Wünschen. Sarg bemalen usw. Viel Lachen und Fröhlichkeit.
    Leider wird man schon bisschen verwirrt angeschaut.
    Ich finde Trauer ist nicht in der schwarzen Kleidung sichtbar, sondern in unseren Herzen.

    Ich wünsche Ihnen alles gute und bleiben Sie wie Sie sind !
    Sonnige Grüße Andrea

  7. Hallo Julian,

    ich habe Deine Seite gerade erst gefunden und muss sagen dass es fuer mich glaube ich dass erste Mal ist ,dass ich jemanden und seine Seite nur schon vom anschauen der Seite echt angenehm und
    sympathisch finde . Ich wuerde mich gerne von Dir bestatten lassen ,lebe allerdings ein bischen weit weg,in den franzoesischen Pyrenaeen.Ich habe auch Theologie studiert ,dann aber noch so manch anderes gemacht und ruecke dem Thema seit einigen Jahren immer naeher .So habe ich unter anderem eine Korbflechterlehre gemacht um oekologische Saerge zu machen ,was sich aber in Urnen umgewandelt hat.Mit Freunden versuche ich hier einen Naturfriedhof zu gruenden ,was hier in Frankreich noch ziehmliches Neuland ist .Danke fuer Dich Du hast mir einen schoenen Moment geschenkt mit der Entdeckung Deiner Persoenlichkeit und Deiner schoenen Seite !

    Tobias

  8. Schöner Bericht und Kommentare, Julian! Die Arbeit mit dir war eine gute Zeit und es gibt viel zu viele Sarg- und Urnenverkäufer und viel zu wenig Bestatter. Ausserdem finde ich es grottenübel, dass es für diesen anspruchsvollen Beruf keinerlerlei Voraussetzungen oder Vorbildungen bedarf, nur die paar Euro für die Anmeldung als Bestattungsunternehmen.
    Surfe nicht so durchs Netz, hab die Seite gerade erst gefunden , alles Gute,

    Bernd

  9. Wie ein Freund kam Julian zur Tür herein und brachte Licht in unsere Trauer um unseren verstorbenen Bruder und Schwager. Mit seiner einfühlsamen Art fassten wir sofort Vertrauen und wussten den Verstorbenen in guten Händen. Julian hat uns liebevoll dabei geholfen, die Bestattung und alles darum herum würdevoll und persönlich zu gestalten. Wir sind sehr dankbar, dass Julian in der schweren Zeit für uns da war. Herzliche Grüße, Andie&Silvio

  10. Ich bin evangelische Pfarrerin und habe schon ganz viel beerdigt. Ich liebe das und tue das sehr gerne, nehme mir viel Zeit und bin gerne sehr kreativ in der Gestaltung.
    Die Bestatter vor Ort hier sind alle sehr traditionell und konventionell, da wünschte ich mir mehr von Ihrer Offenheit und Lebendigkeit.
    Liebe Grüße aus Niedersachsen, Oldenburger Münsterland.
    Hiltrud
    P.S. Ist es möglich, dieser Seite irgendwie zu „folgen“?? Das wäre schön.

    1. Hallo Hiltrud,
      vielen Dank für den netten Gruß. Ich finde es gut und wichtig, dass sich Pfarrer_innen auf Beerdigungen einlassen. Nur dann können sie heilsam sein.
      Zur Zeit kann man mir auf Facebook, Twitter oder Instagram folgen.
      Viele Grüße von Julian

  11. Als Trauerredner bin ich oft auf Websiten von Bestattern – meist sehr wenig aussagekräftig, oft ohne Foto/s des Bestattungspersonals und sehr anonym. Ihre Seite ist dagegen sehr persönlich und sehr aussagekräftig. Spricht mich sehr an! Wenn ich nicht so weit weg wohnen würde, hätte ich gerne künftig mit Ihnen zusammengearbeitet. 🙂 Gruß ans andere Ende der Republik.

      1. Julian, ich bin sehr beeindruckt, was du da machst und es passt zu dem Bild, welches ich mir bisher von dir machen konnte. Unseren Austausch regt mich oft zum Nachdenken an, auf eine positive Weise. Danke. Herzliche Grüße von der hummelnden Andrea

  12. Ich möchte mich hochachtungsvoll bei Ihnen Herr Julian Heigel, bedanken.Sie als unseren Bestatter, haben den letzten tag meiner Oma sehr schön gestaltet. Sie haben ihre Arbeit mit viel Liebe und Hingabe durchgeführt. Das war sehr schön und war ein letzter Abschied. Vielen lieben Dank Familie Yücel/Stromann.

  13. Hallo Julian,
    ich bin sehr beeindruckt von Deiner Arbeit.
    Das wollte ich Dir einfach gerne sagen.
    Alles Gute für die Zukunft!
    Herzliche Grüße
    Ursula aus Konstanz

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