Für ein Kirchenmagazin habe ich einige Trends in der Bestattung aufgegriffen. Die verschiedenen Stichpunkte zeigen vor allem, dass sich Bestattungen heute nicht mehr über einen Kamm scheren lassen, sondern dass sie sich in einer pluralen Gesellschaft ausdifferenzieren.
1. Naturbestattungen
Der Trend geht zur Naturbestattung, nämlich Beisetzungen im Begräbniswald oder im Meer, ohne Grabstein und ohne Grabpflege. Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele Familien leben heute verstreut und können nicht garantieren, über Jahrzehnte ein Grab zu pflegen; manche wollen es schlicht nicht. Auch die Aussicht, die letzte Ruhe im Grünen zu finden, ist für viele attraktiv. Die Auslagerung der Toten vor die Tore der Städte und Dörfer führt allerdings auch zu einer Veränderung der Friedhofskultur. Viele Friedhöfe veröden, haben zu wenig Beisetzungen und zu viel Freifläche. Kommunale und kirchliche Friedhöfe sollten nicht einfach nur auf alte Rechte pochen, sondern auf die veränderten Bedürfnisse einer mobileren Gesellschaft reagieren, zum Beispiel durch weniger strenge Auflagen in der Grabgestaltung, pflegefreie Angebote oder zeitlich flexiblere Konzepte. Friedhöfe können lebendige Orte der Begegnung sein mit Cafés, Ausstellungen oder sogar mit Spielplätzen.
2. Einsam sterben
Rund 6% aller Toten werden in Deutschland ordnungsbehördlich bestattet, weil sie keine Angehörigen oder Freund_innen haben, die sich um ihre Bestattung kümmern. Damit sind nicht die sogenannten Sozialbestattungen gemeint, bei denen der Staat mittellose Angehörige bei der Deckung der Beerdigungskosten unterstützt, sondern Bestattungen von Menschen, die oft schon im Leben und im Sterben einsam sind. Viele von ihnen sind von Armut betroffen und von der Gesellschaft an den Rand gedrängt. In Berlin finden sich die Gräber dieser ordnungsbehördlich Bestatteten auf einem katholischen Friedhof. Dort reiht sich Namensschild an Namensschild, Hunderte, Tausende liegen hier dicht nebeneinander, deren Schicksal man nur erahnen kann. Mancherorts bieten Kirchen oder andere Initiativen Gedenkveranstaltungen für diese Menschen an.
3. Mitgestaltung der Trauerfeier
Der Pfarrer spricht, die Trauergemeinde lässt die Trauerfeier stumm über sich ergehen – so ist noch immer das gängige Bild einer Beerdigung. Allerdings passt diese Frontalsituation weder zu heutigen Kirchengemeinden, noch zu anderen Gemeinschaften. Heute dürfen alle, die wollen, bei einer Trauerfeier mitwirken: Zugehörige können zum Beispiel eigene Worte sprechen oder diese vorlesen lassen, passende Musik aussuchen, den Sarg oder die Urne gestalten. Die Trauergäste können beispielsweise gute Wünsche aufschreiben und diese in den Himmel steigen lassen. Beerdigungen dürfen heute vielstimmig sein, vielleicht sogar widersprüchlich. Authentisch Empfundenes bekommt Raum und die Trauernden dürfen sich zeigen. Eine zeitgemäße (geistliche) Begleitung gibt die Impulse dazu.
4. Abschied vom toten Körper
Bei einer guten Bestattung nimmt das Bestattungsunternehmen den Trauernden nicht alles aus der Hand, sondern unterstützt sie darin, den passenden Abschied zu finden. Vielen Zugehörigen tut es gut, den Verstorbenen gemeinsam zu waschen und anzukleiden und auf diese Weise dem Verstorbenen einen letzten Liebesdienst zu erweisen. Auch die Totenwache mit Gebeten, Erzählen und Schweigen ist ein uralter Brauch, der hilft, den Tod eines geliebten Menschen zu begreifen und anzunehmen. Wenn ein Mensch stirbt, steht die Zeit still – früher hat man das mit dem Anhalten der Uhr zum Ausdruck gebracht. Dann muss erst einmal gar nichts getan werden. Es ist genug Zeit, um einfach nur bei dem Verstorbenen zu sitzen, die Stille zu spüren und vielleicht die eigene Erschöpfung zuzulassen.
5. Kinder bei der Bestattung
Früher wurden Kinder oft nicht zur Beerdigung von nahen Verwandten mitgenommen. Heute hat sich das geändert. Aus der Trauerpsychologie wissen wir, dass wir Kinder nicht vor der Trauer schützen können, indem wir sie um ihren Abschied bringen. Vielmehr gilt es, den Abschied kindgerecht zu gestalten und Kindern sinnvolle Abschiedsrituale anzubieten. Beispielsweise können sie den Sarg oder die Urne gestalten, Sargbeigaben aussuchen, ein Bild malen, welches mit ins Grab gegeben wird, auf der Trauerfeier die Kerzen entzünden oder ausblasen, Blumen streuen oder am Ende das Urnengrab zuschaufeln und die Blumen aufs Grab legen. Es wichtig, Kinder mit klaren Worten vorher zu erklären, was bei einer Bestattung geschieht und ihnen echte Wahlmöglichkeiten zu lassen.
6. Digitalisierung der Bestattung
Corona brachte auch der digitalen Trauerfeier einen Aufschwung. Die Erfahrungen zeigen, dass Menschen sich auch miteinander verbunden fühlen, wenn sie sich nur im virtuellen Raum treffen. Auch hier kann man zusammen an den Verstorbenen denken, Trauerreden hören, Gottesdienste feiern, gemeinsam Musik hören, Gedanken austauschen und Kerzen entzünden. Der Abschied vom toten Körper war in Corona-Zeiten manchmal nicht möglich. In diesem Fall musste man Pflegekräfte oder Bestattende bitten, von den Verstorbenen Fotos oder Fingerprints zu machen oder Haarsträhnen zu entnehmen. In jedem Fall durfte man Sargbeigaben mit in den Sarg geben, zum Beispiel einen Brief, ein Kuscheltier, Schokolade etc.
7. Umweltbewusst bestatten
Kühlung, Transport, Kremation, Sargholz aus Russland, Rosen aus Südafrika, Grabstein aus Indien – auch auf den letzten Metern verbrauchen wir noch eine ganze Menge CO2. Ein Umdenken in der Bestattungsbranche bahnt sich erst langsam an und nur wenige Menschen sind bisher bereit, für regionale Produkte und umweltfreundlichere Materialen mehr zu bezahlen. Die Feuerbestattung mit ihrem hohen Energieaufwand ist in Deutschland derzeit die beliebteste Bestattungsart, die Tendenz ist steigend. Doch auf Dauer wird man sich nach umweltfreundlicheren Bestattungsmethoden umsehen müssen. Bis sich allerdings Reerdigung / Recompose (Kompostierung) Promession (Gefriertrocknen) oder alkalische Hydrolyse (Lauge) in Deutschland flächendeckend durchsetzen, werden sicher noch einige Jahrzehnte vergehen.
Trends in der Bestattung